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25.3.07
Lehmbau-Schnupperkurs im ältesten Haus Biesenthals
Nach gemütlicher Bahn- und Busfahrt steige ich im Zentrum Biesenthals aus – der Alltagsstress ist schon fast abgelegt. Das Ziel für dieses verlängerte Wochenende ist das älteste Haus der Kleinstadt im Landkreis Barnim. Seit sieben Jahren bietet die Organisatorin und Handwerkerin Beatrice Ortlepp in diesem Haus Lehmbaukurse an. Nach und nach treffen die Teilnehmer des Schnupperkurses ein – aus allen Himmelsrichtungen, mit und ohne Vorerfahrungen.
Das Haus selbst macht schon Lust auf die Auseinandersetzung mit dem Lehm, den die Menschen seit Jahrtausenden zum Bauen nutzen – und der sich dennoch heute als moderner Baustoff vor anderen nicht zu verstecken braucht.
Die gelernte Maurerin, Pädagogin und Lehm-Werkerin hat auf wenigen Quadratmetern die verschiedensten Lehmtechniken angewandt: Den großen Kamin im Zentrum des Hauses ziert ein riesiges, farbenfrohes Lehmschlangen-Relief, die Gefache sind mit verschiedenen Techniken mit lehmverputzten Strohballen, mit lehm-umwundenen Holzstaken oder Lehm-Mauerwerk restauriert. Im Erdgeschoss zieht eine ganz organisch wirkende Wand Blicke auf sich: Mit Lehm gefüllte Baumwollschläuche, unter anderem einige alte Hosenbeine und Strümpfe, wurden hier geschwungen aufgeschichtet. Im Flur hat der Lehmputz eine besonders feine Struktur. Der Trick: alte Baumwolltücher wurden komplett in eine dünne Lehmmischung getaucht und als Lehmtapeten aufgezogen.
Der Workshop beginnt mit Materialkunde und ersten Versuchen mit dem Lehm: Der erdfeuchte Lehm muss zunächst mit Wasser angerührt werden und über Nacht stehen bleiben, mauken. Danach ist er noch geschmeidiger und gut zu verarbeiten. Der Lehm für das Seminar stammt von einer Baugrube in der Nähe. Mit ein wenig Erfahrung können Lehm-Werker leicht die Qualität des Lehms feststellen. Lässt sich die Putzer-Mischung eineinhalb Zentimeter über den Rand der Putzkelle schieben, bevor der Strang reißt? Geeigneter Lehm ist wurzelfrei, fett oder mager und wird entsprechend seinen Eigenschaften und der geplanten Anwendung mit Sand und anderen Zuschlagstoffen vermengt.
Dann geht es los. Die zahlreichen Lehm-Baustellen im Haus erlauben ein Ausprobieren der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten. Eine unebene Lehm-Stroh-Wand können wir ausgleichen. Wir patschen den Lehm mit reichlich Stoh vermischt auf die Fläche, später wird die Wand abgezogen und gleichmäßig verputzt. Obwohl Beatrice betont, dass Lehm kein Kinderbaustoff sei, wird ein bisschen Kind in jedem wach, dem hier die Lehmspritzer um die Ohren fliegen.
Im Nachbarraum wird innen vor die Fachwerkwand eine Leichtlehmwand gesetzt. Diese Stampflehmwand hat schon eine Vorgängergruppe begonnen, jetzt ziehen wir die Verschalung hoch und ergänzen eine neue Schicht. Mit Kanthölzern verdichten die freiwilligen Stampfer die Lehm-Stroh-Mischung. Eine Wand des Hauses wird mit riesigen Bauklötzen aus Stroh gemauert: Wir müssen die Ballen mit Hilfe von Seilen und Gurten noch verdichten und in die Holzgefache einfügen. Eine Alligatorsäge hilft, die Wand zu ebnen. Reichlich Lehmputz schützt das Stroh vor Schädlingen und verbirgt nach und nach den regional angebauten Wandbaustoff. Ein Gefach füllen wir schließlich in der historischen Stakenbauweise:
Mit dem Beil schlagen wir die Hölzer zurecht. In die Balken sind Vertiefungen zu stemmen, damit die Staken fest sitzen. Stroh und Lehm werden von beiden Seiten um die Staken geflochten, immer dichter wird das Gefach.
Wenn Pause ist, spülen alle ihre lehmigen Hände ab. Der Baustoff schadet der Haut überhaupt nicht und geht auch so gut aus Haaren und Kleidern heraus, dass die eine oder andere Lehmschlacht nicht ausbleibt. Die Vorteile des Lehms werden uns hautnah bewusst: Lehm ist atmungsaktiv, nimmt Feuchtigkeit aus der Luft auf und gibt sie wieder ab, sorgt für gutes Raumklima, lässt sich gut reparieren und komplett recyceln. Je nach Zuschlagstoff kann Lehm auch ganz schön was aushalten. So werden die Lehmgefache von Außen zum Schluss mit einer Lehm-Kuhdung-Mischung verputzt. Die weist das Wasser ab und sichert die Fassade für viele Jahre vor der Witterung. Im Badezimmer spritzt es ab und an – über der Badewanne wird der Lehm wasserfest durch Leinöl, das ihm außerdem einen dunkleren Farbton gibt. Lehm ist bunt. In mehreren Eimern rühren wir Lehmfarbe an. Ganz schön gelb, eher rot, eher weiß – die angenehmen Farbtöne finden allesamt Anklang.
Der Schnupperworkshop ist ein Selbstversorger-Seminar, aber selbst in den Pausen können wir es nicht lassen, über Lehm und alte und neue Handwerker-Tricks zu plaudern: Ein Architekt erzählt von einigen historischen Sanierungsprojekten, ein professioneller Sanierer vom Umgang mit feuchten Lehmwänden, ein Häuslebauer von seinen aktuellen Plänen mit dem neu entdeckten Baustoff. Dank wunderbaren Spätsommerwetters klingen die Tage gemütlich im Garten aus, am Lagerfeuer, mit Tee aus eigenem Anbau. Am Ende nehmen alle viele neue Eindrücke und Anregungen mit. Der Wunderbaustoff macht Lust auf mehr und die kompetente und freundliche Anleitung von Beatrice Ortlepp ebenfalls. Lehm braucht etwas mehr Ruhe und Geduld als manch anderer Baustoff – auch davon lässt sich in Biesenthal etwas finden.
Die Teilnehmerin
JUTTA SUNDERMANN
Termine und Infos zu den Lehmbaukursen in Biesenthal: www.lehmbaukurse.de